Der lange Atem der Politik
Dieser Beitrag kann auch angehört werden.
Vor gut einem Jahr, am 19.10.2023 habe ich gemeinsam mit der Fraktion die Unabhängigen in Voerde einen Antrag gestellt, die Anzahl der Sachkundigen Bürger*innen (SB) zu begrenzen. Hintergrund waren zwei Überlegungen:
- In Voerde ist die Anzahl der Sitzungen einer Fraktion pro Jahr gedeckelt. Das schützt den Stadthaushalt vor unbotmäßigen Ausgaben.
- In anderen Parlamenten fällt vor allem die, in Voerde noch nicht vertretene, #noafd gerne mal mit sehr vielen SB auf.
Dazu muss man wissen, dass SB je Sitzung von der Stadt bezahlt werden. Dazu gehören eben nicht nur die Sitzungen in den Ausschüssen, die sie wahrnehmen. Sondern auch jede Fraktionssitzung. Und da wir alle nicht wissen, wie der Rat in der Stadt Voerde 2025 nach der Kommunalwahl aussieht, dachte ich: Wäre vielleicht ein guter Moment, hier mal eine Grenze einzuziehen. Und die restlichen Mitglieder der Fraktion fanden das auch.
Bei der ersten Beratung im Rat am 05.12.2023 traf der Antrag nicht auf viel Gegenliebe: Der Bürgermeister war sich nicht sicher ob das überhaupt rechtlich möglich ist, die CDU betonte, dass damit den kleinen Fraktionen geschadet würde, damit die möglichst dagegen sind, und so weiter. Ich habe den Antrag daraufhin zurückgenommen. Die Verwaltung aber gebeten die rechtlichen Bedingungen zu prüfen und das im Ältestentat, wo die Fraktionsvorsitzenden sich besprechen, noch mal zu erörtern.
Stellt sich heraus, dass der Rat selbstverständlich eine Begrenzung erlassen kann und darf. Nach einem Gerichtsurteil aus Köln von 2016 ist dabei eine Beschränkung von 3 SB je Ratsmitglied bis zu maximal 12 problemlos zulässig. Damit sei gewährleistet, dass die Fraktionen ihre Arbeit machen können.
In mehreren Gesprächen wurde das Thema noch mal diskutiert und schließlich 2024 mit der Drucksache 17/822 wieder in die politische Diskussion eingebracht. Am 01.10.2024 stimmte der Haupt- und Finanzausschuss mehrheitlich und gegen die Stimme der FDP der Drucksache zu. Heute, am 08.10.2024 hat nun auch der Rat der Drucksache zugestimmt und damit die Hauptsatzung geändert.
Der neue Absatz 2 des § 10 lautet dann:
Sachkundige Bürger/innen und sachkundige Einwohner/innen erhalten für die im Rahmen der Mandatsausübung erforderliche Teilnahme an Ausschuss- und Fraktionssitzungen ein Sitzungsgeld nach Maßgabe der Entschädigungsverordnung NRW. Die Anzahl der Fraktionssitzungen, für die ein Sitzungsgeld gezahlt wird, wird auf 36 Sitzungen im Jahr beschränkt.
Die Anzahl der für eine Fraktion tätigen sachkundigen Bürger/innen wird auf 3 sachkundige Bürger/innen pro der Fraktion jeweilig angehörenden Ratsmitglieder – insgesamt jedoch auf maximal 12 sachkundige Bürger/innen pro Fraktion – begrenzt.
Das ist ein wichtiges Signal für die Zukunft des Stadtrates Voerde, damit dieser kostenmäßig kalkulierbar bleibt und der Willkür möglicher neuer Fraktionen oder auch einem möglichen Übertreiben alter Fraktionen (das es wie gesagt bisher nicht gab) einen wirksamen Riegel vorschiebt.
Anders als vom Fraktionsvorsitzenden der CDU, Ingo Hülser, im Haupt- und Finanzausschuss postuliert ist das natürlich kein „Ewigkeitsgeschenk“. Ein zukünftiger Rat kann die Hauptsatzung wieder ändern. Allerdings würde die das beantragende Fraktion dann erklären müssen, warum sie mit der ihr zu Verfügung stehenden Anzahl an SB nicht auskommt und es wäre zu erwarten, dass man die Grenze maximal erhöht, wenn überhaupt, aber auf keinen Fall ganz aufhebt.
Es zeigt sich halt nur ein Mal mehr, dass Politik eher Marathon als Sprint ist und das sich am Ende auch gute Argumente anfänglichen Vorbehalten gegenüber durchsetzen können. Insofern muss man allen Fraktionen im Rat der Stadt Voerde Respekt zollen, dass sie nicht dem ersten Instinkt folgend einfach gegen die angestrebte Änderung waren, sondern sich haben beraten lassen und sich beraten haben und am Ende eine, wie ich persönlich finde, sehr wichtige und richtige Entscheidung getroffen haben.
Wenn Du möchtest, kannst Du hier meinen Newsletter abonnieren: