Die Erstarkung und Vernetzung des europäischen Rechtsradikalismus und was Europa dagegen unternimmt
Ein Gastbeitrag von @watch_union@watch_union
Nicht nur in Deutschland hat der Rechtsradikalismus zur Zeit Hochkonjunktur. Auch aus dem europäischen Ausland können wir beinahe tagtäglich Meldungen zu rechtsradikalen Aktivitäten lesen.
In Europa erstarken nicht nur rechtsradikale Parteien. Auch die europäische rechtsradikale Szene vernetzt sich zunehmend. Ihr gemeinsamer Nenner ist die Sicherung des Nationalstaates innerhalb Europas und der länderspezifischen Kultur gegen Einflüsse außerhalb Europas. Sie sind gegen Musliminnen und Muslime und gegen Jüdinnen und Juden.
In der spanischen Kleinstadt Campo de Criptana fand dieses Jahr ein Karnevalsumzug statt, bei denen sich Karnevalisten unter anderem als KZ-Häftling verkleidet haben und ein Umzugswagen als Gaskammer zu sehen war. Zur gleichen Zeit verkleideten sich im belgischen Aalst Menschen als Juden in Gestalt von Fliegen. Und das sind noch die harmloseren Motive des diesjährigen Karnevals in beiden Städten.
Vom 21. bis 23. Februar 2020 traf sich die europäische Nazi-Szene in Sofia (Bulgarien) zum Gedenken an Hristo Lukov. Lukov kollaborierte im zweiten Weltkrieg mit den Nazis aus Deutschland. Er und seine Bewegung Bund der Bulgarischen Nationalen Legionen
forderten die Deportation bulgarischer Jüdinnen und Juden.1943 wurde er von zwei kommunistischen Partisanen erschossen.Die europäische Naziszene gedenkt ihm jährlich mit einen Fackelzug durch Sofia.
Wie die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linkspartei mitteilte, fanden insgesamt zwölf Schießtrainings von Rechtsradikalen im europäischen Ausland seit dem 8. Dezember 2015 statt (Stand: Anfang 2019). Darunter befinden sich auch Trainings der rechtsterroristischen Vereinigung Combat 18 Deutschland. Und das sind die Trainings, die der Bundesregierung bekannt sind. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen.
Rechtsradikalismus und Rechtsterrorismus sind ein europäisches Problem, wie die drei Beispiele aus verschiedenen Bereichen erkennen lassen. Doch wie gehen die deutschen Parteien im europäischen Parlament damit um? Gibt es europäische Lösungen hierzu?
Wir haben bei CDU/CSU, SPD, Linkspartei, Grüne, FDP und DiePartei nachgefragt.
Hiervon äußerten sich nur CDU/CSU, SPD und Linkspartei.
Kann das Europäische Parlament gesetzgeberisch eingreifen?
Die Verfolgung von Straftaten fällt in die Zuständigkeit der jeweiligen nationalen Polizei- und Justizbehörden. Die Grenzen der Kunst-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu definieren, ist die Aufgabe der Nationalstaaten.
Das Europäische Parlament hat damit keine direkte Möglichkeit, den Nationalstaaten die Bekämpfung von Antisemitismus und Rechtsradikalismus / Rechtsterrorismus vorzuschreiben.
Was tut das Europäische Parlament darüber hinaus?
Das Europäische Parlament behandelt antisemitische und xenophobe (fremdenfeindliche) Haltungen in Plenumsdebatten. Darüber hinaus gibt es eine Antisemitismus-Intergruppe. Hierbei handelt es sich um einen fraktionsübergreifenden Zusammenschluss von Europaabgeordneten, die sich regelmäßig treffen und über aktuelle Fälle austauschen.
Diese Abgeordneten haben gemeinsam EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 27. Februar 2020 aufgefordert, eine klare Haltung gegen Antisemitismus einzunehmen. Eine Reaktion von Frau von der Leyen gab es bisher nicht.
Zudem verfügt die EU-Kommission über eine eigene Antisemitismus-Beauftragte. Aktuell ist dies Katharina von Schnurbein.
Wo sehen die Parteien Handlungsspielraum auf europäischer Ebene?
Lena Düpont (CDU / EVP) sagte in ihrer Rede am 21.10.2019 folgendes:
Präventionsmaßnahmen sind wichtig, aber sie reichen offensichtlich nicht mehr aus. Wir dürfen keine Toleranz gegenüber denjenigen zeigen, die mit Hass und Hetze argumentieren und sich gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung stellen.
Die SPD (S&D) gibt dazu folgendes an:
“Aktuelle Entwicklungen in Mitgliedstaaten wie Polen und Ungarn erfordern, dass die EU Maßnahmen ergreifen muss, um die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit zu schützen. Andernfalls sind religiöse und ethnische Minderheiten die ersten, die unter Anfeindungen leiden. Hier hat die EU Handlungsspielraum, den sie nutzen muss. Die Mitgliedstaaten verpflichten sich mit der Menschenrechtscharta, die an die Europäischen Verträge geknüpft ist, jegliche Form von Hass und Ausgrenzung nicht zu tolerieren. Die Europäische Union unterstützt zudem zivilgesellschaftliche Gruppen und Projekte und organisiert internationale Programme wie Erasmus Plus, die sich für Toleranz und Aufklärung einsetzen.”
Die Linksfraktion verweist hierbei vor allem auf ihr Engagement vor Ort und in den Mitgliedsstaaten:
Der Kampf gegen den Rechextremismus gehört zu den Grundprinzipien unserer Linksfraktion GUE/NGL und ihrer Mitgliedsparteien. Auf allen Ebenen, angefangen bei den Kommunen bis zur EU, versuchen wir Gesetze einzubringen, Anträge und Fragerechte zu nutzen, Veranstaltungen zu organisieren, zivilgesellschaftliche Organisationen und Demonstrationen im Kampf gegen Rechts zu unterstützen und Öffentlichkeit herzustellen, um rechtsextreme Umtriebe massiv zu stören und zu beenden. Zum Beispiel haben wir im EU-Parlament eine große Konferenz für Fachleute organisiert, um Erfahrungen mit dem Widerstand gegen Rechts auszutauschen und Strategien zu entwickeln.
Die ehemalige Kommissarin für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung und amtierende Vizepräsidentin der EU-Kommission und Kommissarin für Werte und Transparenz, Věra Jourová, sagte am 21.10.2019 folgenden Satz:
Für die EU war es von zentraler Bedeutung, in erster Linie die korrekte Umsetzung und Umsetzung der einschlägigen EU-Rechtsvorschriften sicherzustellen, einschließlich der Richtlinie zur Rassengleichheit, der Richtlinie zur Gleichstellung von Arbeitnehmern und des Rahmenbeschlusses über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. […] Um unsere Demokratie besser nutzen zu können, wird die Kommission einen Aktionsplan für die europäische Demokratie vorlegen. Es wird dazu beitragen, Desinformation entgegenzuwirken und freie und unabhängige Medien zu unterstützen. Außerdem soll eine größere Transparenz der bezahlten politischen Werbung sichergestellt und klarere Regeln für die Finanzierung der politischen Parteien der EU festgelegt werden.
Die Linksfraktion (GUE/NGL) hat darüber hinaus eine Debatte über rechtsextreme Gewalt für die nächste Plenarsitzung am 9. März beantragt.
Die ausführlichen Antworten der Parteien gibt es hier:
CDU/CSU (EVP)
Offener Brief an Frau von der Leyen