Die Frage nach der Sicherheit – 2023/2024
Wie schon in den Vorjahren möchte ich auch diesmal wieder schauen: Wie ist die Sicherheitslage in Voerde?
Und um direkt zu spoilern: Anhaltend gut. Aber mit Veränderungen, die wir aufmerksam beobachten müssen. Und wie auch in den Vorjahren werde ich die Zahlen in Bezug zu Dinslaken setzen: Dort leben ungefähr doppelt so viele Menschen wie in Voerde und mit einer vereinfachten Annahme könnte es so sein, dass die Zahlen dort doppelt so hoch sind, wie in Voerde. Schauen wir mal.
Vorab:
Die Grundlage ist in der Regel die „Polizeiliche Kriminalitätsstatistik“ (PKS). Diese gibt vereinfacht gesagt die Fälle wieder, die der Polizei durch Anzeigen oder eigene Maßnahmen bekannt geworde sind, in denen Ermittelt wurde und der Vorgang in Richtung Staatsanwaltschaft ging. Sie trifft keine Aussagen über Verurteilungen und Einträge werden i. d. R. nicht gelöscht, wenn sich vor Gericht z. B. die Unschuld eines Menschen herausstellt. Sie spiegelt daher eher die polizeiliche Arbeit wieder aber nicht zwingend den Zustand einer Gesellschaft. Sie ist wichtiger für die Steuerung der Polizei hinsichtlich Ressourcen und Schwerpunkten aber vermutlich weniger geeignet, alleine Aussagen zu treffen, wie es um Deutschland bestellt ist.
Die veröffentlichten Daten lassen oft auch nicht erkennen, ob Straftaten Besonderheiten unterliegen. So ist es zum Beispiel als nach Deutschland einreisender Mensch möglich, Straftaten wie die „Unerlaubte Einreise“ zu begehen. Es werden auch regelmäßig keine Aussagen getroffen, ob es sich dabei um Menschen handelt die Straftaten in Deutschland begangen haben sollen und auch hier leben. Daher ist immer insbesondere die Angabe „nicht deutscher“ mit besonderer Vorsicht zu genießen. Und Ausländer, gestattet mir den Hinweis, sind auch Menschen beispielsweise aus den Niederlanden.
Abweichend zu den Vorjahren werde ich bestimmte Themen am Ende noch mal aus anderen Sichten ansprechen, die nichts mit der Statistik an sich zu tun haben, wohl aber mit der Auslegung.
Wie man der Presse entnehmen konnte, ist in Gesamt-Deutschland die Kriminalität leicht gestiegen. Das ist ein Trend, dem sich auch der Niederrhein nicht entziehen kann. Und somit auch nicht Voerde.
Im gesamten Bereich des Kreises konnte die Aufklärungsquote um 3% gesteigert werden und man kann einen Rückgang bei der Straßenkriminalität beobachten und sich auch darüber freuen, dass z. B. nach Geldautomatensprenungen die Täter*innen direkt festgenommen werden konnten.
Auch wenn die Zahlen 2023 es nicht direkt erscheinen lassen, ist der Trend zu weniger Straftaten seit 2014 positiv: Ohne besonderes Augenmerk auf die „Corona-Delle“ zu haben kann man konstatieren, dass Deutschland und der Kreis Wesel nach wie vor sehr sicher sind.
Das gilt auch dann, wenn man die Häufigkeitszahl verwendet, also die Berechnung der Taten auf 100.000 Einwohner*innen. Zwischen 2014 (6.875) und 2023 (5.769) ist das auf den Kreis bezogen eine erfreuliche Entwicklung.
Kriminalitätsgeschehen
In Voerde gab es 1.679 Straftaten. Das ist ein leichter Anstieg zum Vorjahr (1.580) und hier ist ein negativer Trend zu höheren Zahlen über die letzten 5 Jahre (Ausgangswert 2019: 1.445) zu erkennen. Diesen Wert muss man in Relation zu den ungefähr 36.000 Einwohnerinnen sehen und über 356 Tage verteilen, um ein Gefühl zu bekommen, wie wenig in Voerde passiert.
Dinslaken hat etwa doppelt so viele Einwohner*innen. Würde man das hochrechnen, sollte Dinslaken 3.358 Straftaten aufweisen, tatsächlich sind es aber 4.182 (Vorjahr 4.242, Basisjahr 2019: 3.429).
Man kann also überlegen, ob Voerde entweder unterdurchschnittlich wenig Straftaten hat oder Dinslaken überdurchschnittlich viele. Um das besser zu beurteilen, nutzt man die „Häufigkeitszahl“. Dabei wird von 100.000 Einwohnern ausgegangen. Hier ist das Verhältnis so, dass Voerde 4.639 erreicht, Dinslaken deutlich mehr mit 6.172 Straftaten je 100.000 Einwohner*innen. So kann man absolute Zahlen in einen relativen Bezug setzen.
Die Aufklärungsquote aus Sicht der Polizei beträgt in Voerde sehr gute 51,82% und in Dinslaken 54,18%. Das bedeutet, dass mehr als die Hälfte aller Straftaten in diesem Bereich aufgeklärt werden können. Dabei muss man im Kopf behalten, dass es Massendelikte gibt wie z. B. Fahrraddiebstähle, die zu einer hohen Anzahl von Anzeigen (hier Straftaten) führen, aber schwer und manchmal gar nicht aufzuklären sind. Daher müssen wir uns gleich ein paar weitere Delikte genauer ansehen.
Gewaltkriminalität
Hier wurden in Voerde 59 Delikte gezählt, in Dinslaken 186. Das bedeutet, dass Voerde nur 1/3 der Gewaltkriminalität erlebt oder Dinslaken halt das Dreifache. Sieht man sich wieder das Verhältnis der Einwohner*innen an, ist es wieder so, dass es entweder in Dinslaken sehr viel oder in Voerde sehr wenig ist. Betrachte ich 59 Delikte wieder auf 36.000 Menschen an 365 Tagen wage ich mal die Aussage: In Voerde ist es sehr wenig.
In Voerde konnten davon 89,83% der Fälle aufgeklärt werden und dieses Verhältnis ist auch nach wie vor auf sehr gutem Niveau. Dinslaken kommt auf 79,03%. Was ebenfalls aus meiner Sicht sehr gut ist.
Hier ist jedoch leider auch in der längerfristigen Betrachtung ab 2014 ein negativer Trend zu mehr Fällen im gesamten Kreisgebiet festzustellen.
Raub
Sowohl Dinslaken, als auch Voerde haben einen Anstieg der Raub-Delikte zu beklagen. Im Falle von Voerde sind die Zahlen über die Jahre sehr schwankend und für 2023 mit 14 Fällen angegeben. In Dinslaken sind es 42 und hier scheint sich ein Trend nach oben abzuzeichnen. Das sollte man die kommenden Jahre mal im Auge halten.
Hier kommt aber sicher auch zum Tragen, dass Dinslaken ein Knotenpunkt ist, an dem sich Bahn, Buss, Straßenbahn, Duisburg, Voerde und Dinslaken selbst treffen. Hier kann man eine deutlich höhere Zahl als in Voerde wohl erwarten, wo das nicht so ist. Gleichwohl kann man aber wieder den Bezug herstellen und sagen: 14 Fälle auf 36.000 Einwohner*innen und 365 Tage ist eher wenig.
Gefährliche und schwere Körperverletzung
Hier scheint es sowohl in Voerde (43 Fälle), als auch in Dinslaken (133 Fälle) einen leichten Trend nach oben zu geben, nachdem bis 2021 der Trend eher nach unten ging. Allerdings sind in den Statistiken von 2020 und 2021 die Corona-Auswirkungen nicht bereinigt. Geht man aber 5 Jahre zurück muss man feststellen, dass es in Dinslaken und Voerde seit dem jeweils 18 Fälle mehr geworden sind. Meiner Logik nach hätten es dann in Dinslaken aber mehr sein müssen – da das nicht so ist bedeutet das, dass in Voerde über 5 Jahre und nur die Jahre 2019 und 2023 berücksichtigend zu einem stärkeren Anstieg kam, als in der Nachbarstadt. Das Ganze aber wieder mit dem Aber der geringen Fallzahlen. Es ist statistisch nicht klug, daraus eine eindeutige Aussage zu ziehen – dafür hat Corona zu viel durcheinander geworfen.
Allerdings ist auf den Kreis betrachtet seit 2021 leider ein Trend nach oben erkennbar, ebenso wenn man einen längeren Beobachtungszeitraum ab 2014 hinzunimmt. Wobei hier zu beachten ist, dass in der Phade 2016-2021 sinkende Zahlen gab. Hier müssen wir genau hinschauen, wie sich das entwickelt.
Sexualdelikte
In Voerde gibt es einen Anstieg der Fälle auf 50 (Vorjahr: 41), der in Relation zu Dinslaken 75 (Vorjahr: 74) höher ist. Hier ist allerdings in den vergangenen Jahren eine deutliche Zunahme bei der Sensibilität der Menschen zu betrachten und die Polizei kommt in beiden Städten auf mehr als 90% Aufklärungsquote. Während Dinslaken nach einem Peak in 2021 (153) jetzt eher stagniert, ist in Voerde angeraten darauf zu achten, ob sich hier ein Trend entwickelt. Auf Grund der geringen Abweichungen zwischen 2021 (42), 2022 (41) und 2023 (50) ist das schwer abzuschätzen.
Diebstahl
In Voerde ist die Anzahl der Diebstähle auf 722 gestiegen und damit das dritte Jahr in Folge. Allerdings haben wir erst in 2023 das Niveau von 2020 wieder erreicht, bzw. überschritten. Auch hier ist mir unklar, in wie weit sich die eingeschränkte Mobilität in den Coronajahren bemerkbar macht. Es könnte aber ein steigender Trend sein. Die Aufklärungsquote konnte auf 24,65% erhöht werden. Dabei ist bitte zu beachten. dass es auch hier wieder Massenphänomene gibt, die eine Interpreation der reinen Summe „Diebstahl – gesamt“ erschweren. So ist zum Beispiel seit einigen Jahren ein Anstieg der Ladendiebstähle im Kreis Wesel zu beobachten und nicht ohne Grund will die Kreispolizeibehörde zukünftig auch im Bereich Taschendiebstahl mehr Prävention leisten. missachten.
Dinslaken verzeichnet derweil 1.733 Fälle (Vorjahr 1.660, Aufklärungsquote 25,97%), hatte allerdings schon 2022 das Niveau von 2020 erreicht. Hier sehe ich eher Anzeichen für einen negativen Trend zu höheren Zahlen.
Wohnungseinbruch
Erfreulicherweise ist in Voerde die Anzahl von 58 in 2022 auf 47 in 2023 zurückgegangen. Sie leigt damit aber noch deutlich höher als in den Jahren davor. Das stützt aber meine damalige Vermutung, dass die 58 ein statistischer Ausrutscher gewesen sein können. In Dinslaken sind die Fälle ebenfall nach einem starken Anstieg in 2022 (130) etwas gesunken, wenn auch weniger als in Voerde: 126 Fälle in 2023
Der Trend ist im gesamten Kreis Wesel leider seit 3 Jahren steigend.
Rauschgiftdelikte
In Voerde wurden 43 gezählt und damit bleiben wir im Trend der letzten 4 Jahre, wobei 2019 mit 166 eher ein Ausreißer gewesen zu sein scheint. In Dinslaken wurden 150 Delikte erfasst, spürbar weniger als 2022 (175) aber immer noch mehr als drei Mal so viel wie in Voerde.
Guckt man sich den Kreis Wesel an, so ist hier seit 2018 ein positiver Trend zu weniger Fällen zu beobachten. Spannend wird sein, wie sich die Gesetzesänderungen aus 2024 in den kommenden Jahren auswirken.
„Rohheitsdelikte mit Tatörtlichkeit Schule“
Das ist ein Thema bei dem ich inhaltlich leider absolut nicht sprachfähig bin. Ich kann nur feststellen, dass die Zahlen sich von 2021 auf 2022 im Kreisgebiet mehr als verdoppelt haben, von 100 auf 222 und jetzt mit 228 einen neuen Höchstwert erreicht haben.
Leider habe ich kein Wissen darüber, ob hier in 2022 neue Delikte oder andere Zählweisen dazu kamen. Mir fällt es schwer zu glauben, dass es „über Nacht“ eine solche Explosion gegeben haben soll. Schaut man sich die Verteilung der Fälle an, waren es 2023 in Voerde 14 und in Dinslaken 41. Hier muss man aber zwangsläufig die vollkommen andere Schullandschaft mit berücksichtigen.
Meine Interpretation:
Voerde ist, auch dank der guten Polizeiarbeit, nach wie vor ein sehr, sehr sicherer Ort zum Leben. Das mag verschiedene Gründe haben, die aber nur im Ergebnis zählen: Hier lebt es sich gut.
Dinslaken ist, verglichen mit Wesel, auch immer noch sehr gut dabei, aber muss halt im Vergleich zu Voerde regelmäßig Zahlen in Kauf nehmen, die im direkten Vergleich nicht der Relation der Einwohnerzahlen zu entsprechen scheinen. Man muss allerdings vorsichtig sein, weil man dann ja der Fairness halber Dinslaken mit Wesel oder Duisburg vergleichen müsste. Und dann sähe es vermutlich für Dinslaken auch nicht schlecht aus 😉
Das leidige Thema „nicht deutsch“
In der Presse wird gerne auf den Anstieg der „nicht deutschen“ Tatverdächtigen hingewiesen und insbesondere auf Facebook scheint damit ein besonderer Typ Mensch fest verbunden.
Ich habe Eingangs schon den Hinweis gegeben, dass man berücksichtigen muss, dass es hierbei erstens auch Menschen aus dem Europäischen Umland sein können, die Straffällig in Deutschland werden. Und das es zweitens Straftaten gibt, die per Definition ein Mensch mit deutschem Pass nicht begehen kann.
Diese Punkte im Kopf kann man feststellen, dass im gesamten Kreis Wesel 2.911 Tatverdächtige als „nicht deutsch“ klassifiziert wurden. Denen stehen aber 7.792 „Deutsche“ gegenüber. Tatsächlich ist hier ein leichter Zuwachs bei beiden Gruppen zu sehen.
Relativ ist der Anstieg bei den „nicht deutsch“ klassifizierten Verdächtigen höher (2.911 zu 2.548) als bei den „Deutschen“ (7.792 zu 7.539).
Meine persönliche Vermutung ist, dass hier die Aufklärung von Straftaten wie Geldautomatensprengung und sogenannten „Reisenden Banden“ ebenso eine Rolle spielt, wie die allgemein wachsende Zahl nach Deutschland einreisender Menschen mit anderem Pass.
Die politische Interpreation
Die PKS ist auch ein politisches Instrument, dass jede nach seinem Gusto verwenden möchte. Die einen weisen auf höhere Zahlen bei Kindern und Jugendlichen hin und fordern als Folge ein Herabsenken der Strafmündigkeit. Andere sehen die gleichen Zahlen und interpretieren diese als Auftrag an die Politik, sich mehr um Familien, Bildung und Chancengleichheit zu kümmern.
Das führt auch zu kontoverser Presse wie z. B. hin dem Artikel „Experten prangern an: „Das verzerrte das Bild“ oder „Wenn der Polizeichef die Innenminister bremst“.
Die Schwierigkeit bei der Auswertung der PKS ist, dass man keinen Zugriff auf die Rohdaten hat und jede veröffentliche Auswertung immer aus einer bestimmten Perspektive heraus erfolgt, ebenso jede Reaktion darauf.
Manche Fragen lassen sich auch nur schwer beantworten: Hat die Polizei bei steigenden Zahlen bessere Arbeit geleistet, weil sie mehr Taten ermittelt und mehr Tatverdächtige benannt hat? Oder ist in der Bevölkerung die Bereitschaft größer geworden, Straftaten anzuzeigen und ist man heute, z. B. bei Sexualdelikten einfach sensibler und aufmerksamer?
Genauso wird schon ewig darüber Diskutiert ob es einen „Ausländer-Bias“ gibt: Sind Menschen eher geneigt ausländisch wirkende Menschen anzuzeigen als solche, die sie für Deutsch halten? Kontrolliert die Polizei eher erstere Gruppe und hat dadurch natürlich dort eine höhere Chance auf Zufallstreffer?
So ist der Anteil ausländischer Strafverdächtiger laut Statista wieder auf einem Niveau von 2016 angekommen:
Was wir nicht wissen: Sind das Menschen aus den Maghreb-Staaten oder doch aus den Niederlanden, Frankreich und Österreich? Diese Frage kann nicht ohne weiteres hier beantwortet werden.
Aber es wichtig, dass wir uns klar machen:
Hören wir bestimmte Begriffe, verbinden wir damit Bilder.
Und nur wenn wir uns dessen bewußt sind, können wir halbwegs realistisch auf die Daten schauen. Und fragen: Wie viele der Straftaten sind solche, die Deutsche nicht begehen können? Wie teilen sich die Nationalitäten auf und der Aufenthaltsstatus?
Deswegen ist es auch so wichtig in Kontext zu setzen, wer wann welche Information aus der PKS nimmt und streut. Die Statistik ist da neutral – die Interpreation nicht.
(Quelle der Zahlen: PKS in der Auswertung der KPB Wesel)