Reisen auf 2 Rädern
Der alte Mann war müde.
Der alte Mann war urlaubsreif.
Also ging es in den Urlaub. Leider muss ich derzeit noch in den Sommerferien in Urlaub fahren, was nicht wirklich Spaß macht, angesichts der Preise die dann aufgerufen werden. Und überhaupt: Wohin?
Ich bin nicht so der Pauschaltourist. Mehr der Individualreisende. Und ich werde bestimmt nicht 14 Tage Türkei All Inclusive buchen. Jetzt steht aber nächstes Jahr eine Fernreise an, das muss man ja sicher nicht jedes Jahr machen.
Also entstand der Plan mit Freundin, Sack und Pack eine Motorradtour zu unternehmen. Und wie sich das bei meinen Plänen so gehört, funktioniert natürlich alles. Nicht.
Es fing damit an, dass der Nacht-Auto-Zug, den ich eigentlich bis Österreich nehmen wollte, nicht mehr fährt. Von der ÖBB eingestellt und von der DB ja schon 100 Jahre nicht mehr angeboten. Vermutlich lässt sich niemand mehr mit dem Auto in den Süden fahren, sondern man fährt lieber selber. Das ist natürlich doof, weil das bedeutet hat, dass jetzt erst mal Autobahn bis Bayern anstand.
Ja, die Mopeds haben einen Tempomaten. Ja, sie verbrauchen auf der Autobahn wenig Sprit. Aber ja, es gibt wenig Dinge die langweiliger sind, als einfach nur die Autobahn mit einem Motorrad runter zu fahren. Musik im Helm hin oder her.
Auf der anderen Seite half das, mal zu checken ob die gedachten Etappen nicht zu lang sind.
Mit dem Motorrad reisen hat viel vom Reisen mit einem E-Auto. Denn auch bei dem überlegst Du relativ genau wie Du Deine Stopps planst, um die Batterie zu laden. Das ist auf dem Motorrad nicht anders, nur das hier selten der Tank der limitierende Faktor ist: Der hält länger als Dein Wille auf dem Moped zu sitzen.
Dabei entwickelt man schnell ein Gespür dafür, in welchem Abstand man Pausen machen will. In meinem Fall war es so, dass die Pausen am Anfang einer Etappe etwas weiter auseinander lagen und ab der Hälfte der Etappe näher zusammen rückten. So das auch schon mal jede Stunde eine Trink- und Bewegungspause anstand.
Nachdem Deutschland und auch Österreich im Rückspiegel verschwunden waren, ging es über die grüne Grenze nach Slowenien. Das Land hat den Beinamen „Kanada Europas“ und ich finde das sehr passend:
Kannte ich bisher vor allem die oft endlos wirkenden Wälder von Slowenien, führte der Kurs diesmal durch tiefe, lange Weiten, wie ich sie aus der Mitte von Kanada kennen. Das Wetter bemerkenswert gut und um ehrlich zu sein, war das das, wonach ich gesucht hatte:
Das Motorrad rollte vor sich hin, die Landschaft zog vorüber. Der Wind blies in mein Gesicht, die Musik auf den Ohren. Und sonst nichts. Und niemand. Das ist Entspannung.
Leider ist Slowenien nicht das größte Land und schon bald darauf war Kroatien erreicht.
Irgendwann um die Jahrtausendwende war ich das erste Mal in Kroatien, in einem kleinen Ort namens „Vodice“. Bei meinem ersten Besuch waren die Autobahnen noch nicht annähernd so ausgebaut wie heute und von da hatte ich in Erinnerung, wie schön es war, aus den Bergen auf die Küstenstraße zu kommen.
Bei meinem letzten Besuch vor ein paar Jahren bin ich dann die Küstenstraße von Süden nach Norden in Richtung Slowenien gefahren. Was lag also näher, als sie diesmal von Nord nach Süd zu fahren?
Die Sache hatte nur einen Haken: Bei der Abfahrt in Deutschland war es kühl und regnerisch. In den Bergen war es Kühl. In Slowenien mild. In Kroatien allerdings einfach nur noch heiß.
Eigentlich dachte ich, meine Motorrad-Sachen wären ganz gut für die unterschiedlichen Klimazonen ausgelegt. Waren sie nicht. Sie waren zu warm. Wann immer ich stehen blieb. Es ist überraschend, wie sehr ein Mensch schwitzen kann.
Das vergisst man dann aber schnell wieder, wenn man auf der Küstenstraße zwischen den Kurven mal den Blick schweifen lässt und nach all dem Grün die Kargheit der kroatischen Küste und Inselwelt auf sich wirken lassen kann.
Es ist verblüffend wie das geht. Gerade noch alles saftig grün, ein Berg und plötzlich ist es, als wäre man eher in der Wüste. Ab hier waren dann auch die Temperaturen bei um die 35 Grad und ich spoiler mal, dass für die nächsten 2 Wochen auch ungefähr so bliebt.
Insofern war es ganz gut, dass die Planung vorsah, dass ich ein paar Tage in Vodice bleiben wollte. Urlaub am Meer, mit Strand, Wasser und viel Essen.
Der Vorteil an dem Ort ist halt, dass ich schon etliche Male da war. Und mich entsprechend auch auskenne. Das ist dann ein bisschen wie nach Hause kommen, wenn man einfach die Sachen in die Ecke werfen kann.
Leider gab es ein Problem mit der Mietwohnung, in der ich sonst immer war. Daher stand ein spontaner Umzug in ein Hotel an – was aber nicht nur schlecht war:
Abgesehen davon, dass mir jemand Frühstück machte, gab es einen Inifity-Pool auf dem Dach.
In Vodice mache ich meist ungefähr das gleiche: Ich gehe abends in die Stadt, tagsüber fahre ich mal nach Sibenik oder auf die Insel Murter, wo es eine kleine Bucht gibt, die ich seit meinem ersten Besuch kenne.
In den über 20 Jahren die ich jetzt immer mal wieder hier war, hat sich viel verändert. Aus dem kleinen Ort wurde eine bei Touristen extrem beliebte Destination und zunehmend verirren sich auch Deutsche so weit in den Süden, statt wie meist im Norden des Landes zu bleiben.
Von hier aus habe ich auch sowas wie traditionelle Ausflüge, wie z. B. zu den Wasserfällen im Krka Nationalpark. Ich bin so alt, als ich die ersten Male hier war, durfte man dort im Wasserfall noch schwimmen 😉
Tatsächlich ist es dort und in der Umgebung eher ruhig. Klar, man kann ein paar Aktivitäten unternehmen. Aber das „Wildwasser-Rafting“ ist eher ein „gemütlich den Fluss herunter mit ganz seltenen Stromschnellen“ und das „Abenteuer“ der längsten Seilbahnen ist halt so angelegt, dass es eher sicher als abenteuerlich ist.
Was mir an Kroatien immer wieder aufgefallen ist, ist das die Menschen dort Kroatisch, Englisch und meist auch noch Deutsch sprechen. Angesichts der wenigen Brocken Kroatisch die ich mir angeeignet habe, ist das schon fast beschämend und wurde dann später noch mal interessant.
Nach gut 10 Tagen in Kroatien ging es dann auf die Fähre nach Italien:
Eine Fährfahrt ist ja bekanntlich das Langweiligste, was es auf der Welt gibt. Das ist nach Ancona nicht anders. Anders als beim letzten Mal, als ich Nachts von Griechenland nach Ancona fuhr, war es diesmal die Tagesfähre, die dann um 19 Uhr in Ancona ankommt.
Ancona in Italien ist keine Stadt, die man gesehen haben muss. Hier dominiert vor allem der Fährhafen und die damit verbundene Industrie. Aber es ist halt das Tor zu Italien, wenn man von der anderen Seite der Adria herüber kommt.
In Italien standen einige Besuche auf der Liste, aber zunächst ging es mal herüber nach San Marino.
Vor langer Zeit, 10. Klasse, war ich schon mal hier. Damals gab es noch kein Geocachen, also wollte ich gerne den Stadt-Staat der Liste der mit Geocaching besuchten Länder hinzufügen.
San Marino ist komplett von Italien umgeben. Dabei verläuft die Grenze nicht gerade, sondern mehr oder weniger Zick-Zack. Man kann also immer mal wieder von einem Land in das nächste Land wechseln und merkt es nicht mal.
Das ist etwas, was man noch mal anders beleuchten sollte: In Deutschland macht sich ja, wie in anderen Ländern auch, eine gewisse Europa-Skepsis breit.
Jetzt bin ich alt genug um noch zu wissen, wie es war, an der Grenze zu den Niederlanden zu stehen, den Pass zeigen zu müssen und Geld zu wechseln. Heute, dank Europa, fahre ich praktisch ohne Kontrollen durch Österreich, Slowenien, Kroaten, Italien und San Marino. Überall bezahle ich mit der gleichen Währung, es gelten mehr oder weniger die gleichen Regeln und die Grenzen sind in der Regel nur Schilder. Diese Freiheit, die uns Europa gibt ist etwas, das ich nie wieder verlieren mag.
Zurück zu Italien:
Unter anderem war Verona ein Ziel und zwischen dem Hafen in Ancona und dem letzten Stopp vor Österreich ist mir aufgefallen, dass viele Italiener auch nicht viel von Europa zu halten scheinen: Sie weigern sich oftmals Englisch zu sprechen. Erinnert Ihr Euch, was ich über die Kroaten schrieb? Das ist in Italien, zumindest auf der Route an der Ost-Küste, völlig anders. Hier spricht man italienisch oder gar nicht.
Es gibt aber einen kleinen Workaround: Es ist nämlich nicht so, als sprächen die Italiener kein Englisch. Die Stimmung wird oft schon besser, wenn man versucht, italienisch zu sprechen.
Und dann empfehle ich, möglichst schlecht Italienisch zu sprechen. Denn in meiner Erfahrung können Italiener dann doch englisch und erklären einem dann gerne, was man warum wie falsch gesagt hat. 😉
Ich möchte den Blogbeitrag nicht zu lang werden lassen, daher kürze ich natürlich vieles ab, das in den 3 Wochen auf dem Motorrad passiert ist.
Was mir aber bei dieser Reise, die mich ja von Deutschland durch Österreich, über Slowenien nach Kroatien und von dort über Italien, durch San Marino wieder nach Österreich und Deutschland brachte aufgefallen ist, ist folgendes:
In Österreich halten sich alle im Straßenverkehr an die Regeln. In Slowenien hat jeder seine eigenen Regeln.
In Kroatien gibt es geschriebene Regeln, an die sich niemand hält und gesellschaftliche Regeln, an die sich alle halten und in Italien ist es sowieso ganz irre. Aber alle kommen miteinander aus, weil alle, und das schließt Radfahrer ein, immer auf einander achten und miteinander umgehen.
Das fiel auf in dem Moment wo ich aus Deutschland raus war und hielt sich, bis ich wieder in Deutschland war.
Eigentlich fühlt man sich überall willkommen, egal ob in den Metropolen oder auf dem Land. Und irgendwie kommt man, besonders als Motorradfahrende schnell mit den Menschen ins Gespräch.
Das erinnert mich ein bisschen an die Videos von Itchy Boots oder Valle. Nachdem ich jetzt durch halb Südeuropa bin, kann ich das Gefühl teilen, dass mir ihre Videos vermittelt.
Wie krass dagegen der Gegensatz in Deutschland,. Hier ist man eher zugeknöpft und verschlossen
Vielleicht ist das auch ein Grund, warum wir vielleicht mehr Urlaube wie Abenteuer machen sollten. Urlaube die uns zwingen, mit den Ländern und den Menschen in Dialog zu treten. Und zu lernen. Ich glaube es gibt nichts besseres gegen Rassismus, als Erfahrungen mit anderen Menschen.
Und jetzt entschuldigt mich, ich muss los.
Bevor jetzt unten das obligatorische Fotoalbum folgt, hier noch ein paar „Sidestories“:
- Irgendwo auf der Küstenstraße flog ein Handy vom Lenker. Das ließ sich am nächsten Tag orten und finden – relativ wenig beschädigt. Bedeutete aber in der Hitze noch mal 200km extra zu fahren.
- Tanken in Kroatien kostet auf der Autobahn das Gleiche wie in Orten. In Italien und Deutschland ist es sehr viel teurer.
- Man kann nicht genug Getränke mit sich haben, wenn man bei 35-40 Grad Motorrad fährt. Wie machen andere das??
- In Kroatien, San Marino und Italien gibt es praktisch kein Hotel, egal wie teuer, das gutes Frühstück bietet, vor allem mit gutem Kaffee (ohne ihn extra bestellen zu müssen).
- Motorräder fallen um. Alle. Irgendwann. Mindestens ein Mal. Mal auf der Landstraße, mal am Strand, nie da, wo man es erwartet und nie dann, wenn man es erwartet. 😀
- Entlang der Adria wirkt es mittlerweile eher wie in den Tropen, denn wie am Mittelmeer. Klimawandel? Welcher Klimawandel?
- Mein Italienisch ist so schlecht, dass ich dort als Comedian auftreten könnte.
- Das beste Eis der Welt gibt es in Kroatien. Die beste Pizza auch.
- Egal wie lange Du am Stück Auto fährst – mit dem Motorrad sind die Etappen kürzer als Du planst
Und jetzt noch meine persönlichen WTF des Urlaubs:
Das Hotel in San Marino vergibt keine Keycards, sondern 6 stellige PIN. Sich die zu merken ist ja das eine. Aber die auf einer solchen Tastatur eingeben zu müssen, ich meine wer zur Hölle hat sich das Layout ausgedacht???? 😉
Und zweitens: in Verona war das mit Romeo und Julia. Da gibt es eine Julia-Statue. Sie anzufassen soll Glück bringen. Ratet mal, wo alle anfassen 😉
Jetzt aber, falls Ihr noch nicht genug habt:
Ein Gedanke zu „Reisen auf 2 Rädern“
Jetzt weiß ich auch, mit was für einem Mittel Du auf dem Tad gedopt hast 😉 Habe mich bei den Strava-Tracks am Anfang gewundert, wie Du das gemacht hast. Wir waren offensichtlich zur gleichen Zeit in Kroatien – wenngleich wir zu den im Norden gebliebenen zählen.
Allerdings bin ich ebenfalls so alt, dass ich noch die Krka-Wasserfälle runter gesprungen und dort geschwommen bin. Damals, als wir in Sibenik gecampt haben.
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