Volvo vs. Jaguar: Wann ist viel zu viel?
Die Älteren unter Euch werden sich noch erinnern:
Ich stehe gerade vor der Frage, ob ich weiter ein Auto haben will und wenn ja, welches. Das ist nicht so einfach, weil ich von meinem Hybrid auf einen reinen Stromer umsteigen will. Also nehme ich mir mal viel Zeit und teste die Autos, die es so gibt. Diesmal im Angebot: Volvo XC40 Recharge Pure Electric vs. Jaguar iPace EV400.
Vergleichsmodell ist mein XC60: Ich brauche einen gewissen Raum für mich und muss ein relativ hohes Ladevolumen (eher in Umfang als Gewicht) haben. Deswegen bin ich damals von Kombi auf SUV umgestiegen: Die Karre lässt sich höher beladen. Anyway.
Der Volvo XC40 Recharge Pure Electric
… ist nach dem Einsteigen ausgeschieden. Und nach der Probefahrt ganz unten durch gewesen. Das klingt hart, liegt aber am Vergleichsmodell und meinen Eigenheiten. Fangen wir mit letzteren an:
Ich habe durch mein eher ungewöhnliches Verhältnis von Oberkörper- und Beinlänge eine etwas spezielle Sitzposition. Dummerweise gibt es aktuell den Trend, den durch die Elektrifizierung frei werdenden Platz zu verbauen. Sprich: Die Mittelkonsolen bei vielen Autos werden in Richtung Front breiter. Für die Displays, Bedienelemente, haste nicht gesehen. Was dazu führt, dass ich, wenn ich sitze wie ich sitzen will, mit dem rechten Bein unangenehm an/auf der Mittelkonsole liege. Das ist im nur unwesentlich breiteren XC60 komplett anders gelöst. In ein Auto steigen und nicht wohl fühlen ist für mich ein K.O.-Kriterium, da – wenn ich mal fahre – ich lange Strecken fahre und einen hohen Komfort erwarte. Angesichts des Preises.
Ich bin ihn dann trotzdem gefahren (auch weil ich demnächst mal in den neuen C40 hypfen will und hoffe, dass es dort anders ist). Die nominal hunderten von PS sind mir eigentlich wurst: E-Autos haben einen massiven Anzug und Volvo regelt eh bei 180 ab. Aber auf der Haben-Seite: wie der Polestar ist der XC40 super leise, lässt sich perfekt im One-Pedal-Drive steuern und ist, was das angeht, ein echter Volvo.
Bis auf „Kleinigkeiten“. Die dem Auto den Garaus machen.
Ich nutze wahnsinnig viel „Pilot Assist“, eine Mischung aus Spurfolgeassistent und semiautonomen Fahren. Und zu meiner Überraschung ist der neuere XC40 (Modelljahr 2021) hier schlechter als mein XC60 (Modelljahr 2020). Und zwar in einem absolut kritischen Punkt:
Der XC60 passt die Geschwindigkeit nicht nur den voraus fahrenden Fahrzeugen und der erlaubten Geschwindigkeit an. Sondern vor allem auch vor Kurven. Ich musste lange suchen um ein passendes Video zu finden, dass ich hier mit freundlicher Erlaubnis des Erstellers verwende. Wenn Ihr genau auf das Display schaut: Vor Kurven werden diese angezeigt und dann wird die Geschwindigkeit soweit reduziert, dass flüssig durch die Kurve gefahren werden kann.
Und jetzt ratet mal, was der XC40 nicht macht. Und mich damit in eine gefährliche Situation brachte, weil ich überhaupt nicht auf die Idee gekommen wäre, dass ein neueres Auto weniger kann, als ein älteres Auto – bei gleich benannter Funktion.
Die übrigens für einen weiteren Kopfschüttler gut war: Im XC 60 habe ich am Lenkrad links zwei Pfeiltasten. Ist der Abstandstempomat an und ich drück nach rechts, schaltet er auf Pilot Assists. Drücke ich nach links, geht das Auto wieder in den Tempomat. Drücke ich noch mal nach links, geht es in den Limiter, der das Auto auf der erlaubten Geschwindigkeit hält. Aus in dem ich nach rechts drück.
Im XC40? Da geht Pilot Assist an, wenn ich nach rechts drücke. Drück ich nach links passiert… nichts. Die Taste ist nicht belegt. Um ihn aus zu schalten, muss ich wieder nach rechts drücken. Wer denkt sich bitte so einen Unsinn aus?
Die Verarbeitung ist unterhalb des XC60, damit ließe sich noch leben. Aber wie schon eingangs erwähnt: Das Auto ist schlicht zu klein für den Berg von Mensch.
Somit ist der XC40 zwar (technisch) noch besser als der Hyundai, aber eben nicht das, was ich haben will. Schade.
Jaguar iPace EV400
Jaguar hat einen eigentlich ganz schicken Wagen als ersten Stromer raus gebracht, den iPace. Also bin ich den auch mal Probe gefahren. Von innen ist das ein sehr schickes Auto, dass gerade so genug Platz für meine Beine bietet. Ich sitze bequem, das ist ein großer Pluspunkt – trotz ebenfalls nach vorne (noch) breiter werdender Konsole.
Vollkommen irritiert war ich, wie unfassbar laut es in dem Auto bei höheren Geschwindigkeiten wird. Das könnte ich ignorieren, weil ich selten schneller als 120 fahre, aber es verblüffte mich, angesichts der angenehmen Stille im Polestar 2 und XC40.
Was ich gar nicht verstanden habe ist folgendes: Hinter dem Lenkrad ist eine in Klavierlack(!) gehaltene konkave(!) Fläche. Was macht die? Sie spiegelt alles, was am Fenster vorbei zieht und produziert Bewegung an einer Stelle, wo sie nicht sein sollte. Das lenkt furchtbar ab und ich halte das für eine absolute Fehlplanung:
Wie kann sow as passieren?
Das Raumangebot ist bescheiden, wenn man die Vordersitze verlässt. Das ist im Polestar nicht anders. Das Problem ist, dass eine Anhängerkupplung nur manuell abnehmbar für ungefähr 1500€ verfügbar wäre oder ein spezieller Fahrradträger, der keine Kupplung braucht, für ungefähr den gleichen Preis. Und da sind wir schon beim Hauptproblem: Dem Preis!
Selbst in der größten Ausstattungslinie HSE fehlen zahlreiche „Extras“, die ich eigentlich schon fast als Serie erwarten würde. Konfiguriere ich das so, wie ich es möchte, erhalte ich (von der Größe) einen Mittelklasse-Wagen für einen Listenpreis von mehr als 120.000€. What. The. Fuck. Und dafür gibt es eine manuell abnehmbare Hängekupplung.
Zum Vergleich: Der XC60 den ich habe kostet mit vergleichbarer Ausstattung laut Liste nur etwas mehr als die Hälfte. So wahnsinnigen Extras wie „keine Chromleisten am Fenster“ oder „Heckscheiben verdunkelt“.
Und, ganz wichtig: Ein Spurfolgeassistent ist nicht verfügbar.
Neues Fazit
Ich weine, weil es keinen XC60 rein elektrisch gibt 😉 Aktuell ist der Polestar 2 ganz weit vorne, der Hyundai die günstige Alternative. Den Jaguar werfe ich wegen des Preises und der absolut unverschämten Extra-Politik aus dem Rennen. Den XC40, weil er schlicht für mich zu klein gebaut ist.
Ich bin mal gespannt, wie die Suche weitergeht. Vielleicht muss ich doch mal Benz, BMW, VW und Tesla mit in die Auswahl nehmen, was ich eigentlich nicht wollte, da (bis auf Tesla) diese Marken bei mir alle mit Makel behaftet sind. Und Tesla…. der Tesla den ich hätte mir dann doch mit deutlich über 100k wieder sehr viel zu teuer ist.
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