Warum Politik oft nicht macht, was Politik machen sollte
Manchmal erscheint das Handeln der Politik merkwürdig. Da wird vehement für oder gegen die sexuelle Selbstbestimmung diskutiert oder über das Gendern. Während wirklich große Herausforderungen scheinbar unbeachtet bleiben, wie z. B. das Sozialsystem oder der Klimawandel.
Ich glaube, das Problem liegt in einer bestimmten Denkweise, die man als Politiker haben muss: Politik und politischer Erfolg bedeutet Macht und Geld, das fängt in den Lokalparlamenten an und wird nach oben, Richtung Bundestag, natürlich größer und mehr. Und wie wir alle wissen, korrumpiert das immer den Charakter. Das ist nicht Böse gemeint, aber wer ein gutes (Zusatz-)Einkommen hat oder an Entscheidungen beteiligt ist, die dem eigenen Vorteil dienen, wird diese Position behalten oder ausbauen wollen. Wir sind einfach so und wir sollten dem auch ohne Wertung ins Auge sehen.
Das bedeutet aber dann eben auch, dass man sich als gewählter Politiker vor allem um eines Sorgen macht: Die Wiederwahl. Und danach richtet sich das eigene Handeln aus, man will die Chancen auf eine weitere Wahlperiode optimieren.
Das wird natürlich dann ein Problem, wenn man über Entwicklungen redet, die Jahrzehnte oder Generationen brauchen, um Wirkung zu erzielen. Hier mal ein paar willkürliche Beispiele:
- Wir wissen, dass unser Sozial- und Rentensystem an seine Grenzen stoßen wird, da immer weniger Menschen arbeiten werden müssen (und können), um die gleiche Produktivität zu erzielen. Dank Automatisierung und Computerisierung. Das bedeutet das wir davon weg müssen, Arbeitsleistung zu besteuern und dazu hin müssen, Produktivität (stärker) zu besteuern. Ein solcher Umbau ist gravierend – finanztechnisch bedeutet das, dass das komplette Steuersystem umgebaut werden muss und das Sozialsystem.
- Wir wissen auch, dass Deutschland in den kommenden Jahren viele tausend Zuwanderer braucht, um der massiven Überalterung entgegen zu wirken. Derzeit ist es aber fast unmöglich, legal nach Deutschland zu migrieren und selbst da wo es geht, wollen es die Menschen oft nicht. Deutschland ist kein beliebtes Einwanderungsland. Wollen wir aber den Status Quo erhalten, brauchen wir dringend Menschen von außen.
- Der Klimawandel erfordert ein komplettes Neu-Denken unseres Lebens. Er erfordert nicht nur ein Ende der Verbrennung fossiler Stoffe, er fordert auch Anpassungsmaßnahmen auf das, was da kommen wird (dazu blogge ich später noch was). Wir werden das gesamte Land transformieren müssen, ökologisch und ökonomisch, um mit den Anforderungen der nächsten Jahrzehnte Schritt zu halten.
Das alles sind aber Projekte, deren Erfolge sich erst weit nach den nächsten Wahlen einstellen würden. Die die Menschen nicht an die Wahlurne bringen und ihre Hand nicht führen, an der gewollten Stelle ein Kreuz zu machen. Deswegen werden solche Themen erstaunlich wenig angegangen und diskutiert. Statt dessen ist es einfacher mit Angst vor Veränderung zu punkten und dem Versprechen, alles dafür zu tun, dass es so bleibt, wie es ist.
Die „Belohnung“ für den Politiker (oder die Politikerin) ist die Wiederwahl. Die hier über dem Gemeinwohl steht, dass man in der Politik eigentlich primär verfolgen kann.
Die spannende Frage ist, ob man das ändern kann. Meine persönliche Befürchtung, auch nach Jahrzehnten in der Politik, ist jedoch, dass das nicht geht. Dafür müssten wir die Menschen in den entsprechenden Funktionen motivieren können, auch unliebsame Entscheidungen zu treffen, die möglicherweise zu ihrer Abwahl führen. Und die dann von der Folgeregierung nicht lachend wieder einkassiert werden.
Wir müssen dieses Dilemma irgendwie lösen, wenn wir nicht in eine Klimakatastrophe steuern wollen, deren Folgen wir nicht mehr beherrschen und wenn wir den Wohlstand für die Menschen in Deutschland nicht nur erhalten, sondern auch mehren wollen. Mit einer Politik, die noch an Verbrennern, Autobahnen ohne Tempolimit und höherem Renteneintrittsalter bei gleichzeitig schärferen Sanktionen gegen Empfänger von Transferleistungen wird uns hier nicht vorwärts bringen. Und der brutale Witz in der Sache ist: Von der Bundesregierung bis zum kleinsten Stadtrat wissen das alle. Und alle sind irgendwann mal angetreten, dieses System zu durchbrechen.
Und niemandem ist es gelungen. Sie wurden entweder Teil des Systems oder sind ausgestiegen. Und das macht mir große Sorge.