Wem wollen wir das Land anvertrauen?

Wem wollen wir das Land anvertrauen?

Gestern und heute waren ein paar Artikel in der Presse, die mich nachdenklich gemacht haben. So zum Beispiel heute morgen in einem langen Interview mit Habeck in der NRZ:

Die in vielen Teilen gute Regierungsarbeit wird permanent überstrahlt durch den ewigen Streit. In der letzten Verhandlungsrunde vor der Einigung war das Problem, dass die Debatte wieder laut und fürs Schaufenster geführt wurde – anstatt, dass die Regierung macht, was sie zu tun hat: einen Haushalt aufstellen.(…)

Ich will mich nicht freisprechen von Verantwortung und meine Fehler gar nicht rausnehmen. Ich sehe, dass die Ampelregierung, meine Partei und auch meine Person an Vertrauen verloren haben.

Und ich bin jetzt ein bisschen ratlos.

Denn das die Grünen an Vertrauen verloren haben, kann ich nachvollziehen. Zu farblos, zu wenig eigene Akzente in der Regierungspolitik, sich laufend von der FDP vorführen lassend und nach innen alles anderes als einig.

Aber Habeck?

Ich würde hier eher das Gegenteil konstatieren: Mit seiner offenen und offensichtlich ehrlichen Art hat er als Vizekanzler bei mir viel Vertrauen erworben. Mehr als ich schon vorher in ihn hatte. Ich lehne mich mal so weit aus dem Fenster zu sagen, dass es derzeit keinen Regierungspolitiker gibt, dem ich mehr Vertraue. Allerdings gibt es mit Baerbock eine Politikerin, die ich gleichauf sehe.

Diese Offenheit, die Bereitschaft sich und sein Handeln zu erklären, konnte man auch gestern im Spiegel wieder lesen. Als er klare Kante gegenüber Christian Lindner in Sachen Haushalt zeigte, aber am Ende eben auch ausgewogen genug argumentierte um klar zu machen, dass Demokratie mehr ist, als öffentliche Scharmützel:

Habeck warnte die Ampelparteien angesichts der ständigen Streitereien davor, einen Koalitionsbruch zu riskieren. »Ein leichtfertiges Spielen mit Neuwahl verbietet sich.« Ein Bundestag werde für vier Jahre gewählt, so Habeck: »Daraus folgt: Wir können und sollten tun, was die Menschen zu Recht von uns erwarten: Unseren Job machen.«

Dieses differnzierte Denken, dieses Abwägen, dieses offen Erklären ist es, was für mich politische Qualität ausmacht. Und sowohl NRZ als auch Spiegel wollen dabei wissen, ob Habeck sich Kanzler vorstellen kann.

Unabhängig davon, was er für sich entscheiden wird, kann ich an der Stelle aber für mich sagen: Bei der letzten Bundestagswahl konnte ich es mir vorstellen. Heute ist es mehr als das, heute ist es ein großer Wunsch, dass ein integerer Politiker wie er tatsächlich Kanzler wird.

Denn wenn ich mir die verfügbaren Berufspolitiker anschaue, mal ehrlich: Merz? Söder? Scholz? Oder gar ein freidrehender Rechter? Das ist doch alles nicht das, was Deutschland braucht.

Deutschland brauch einen Kanzler (oder eine Kanzlerin) der oder die sich traut, auch unangenehme Wahrheiten anzusprechen. Und den Mut hat, unangenehme Entscheidungen zu treffen und sich dabei nicht vom Pöbel und seinen „Montagsspaziergängen“ oder „Trecker-Demos“ abhalten lässt. Dafür aber mal die Jugend im Klimastreik fragt, was aus ihrer Sicht für die Zukunft unseres Landes wichtig ist.

Aber falls Euch das alles nicht überzeugt, bei der nächsten Bundestagswahl auf Habecks Kandidatur zu hoffen und ihn dann zu unterstützen, dann vielleicht das hier:

Kommt Habeck, geht Lindner 🙂

„Sollte ich jemals Bundeskanzler werden, wird Christian Lindner nicht Finanzminister werden“, antwortete der gut gelaunte Habeck auf eine Publikumsfrage, die darauf gerichtet war, was er von den Aussagen Lindners halte. „Ja, da sind wir uns ganz einig.“

(Quelle: Handelsblatt)

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